Am Winkelter Hof

Stadtteil: Kaarst

amtlich benannt am 23. März 1977 durch den Rat der Gemeinde Kaarst

heutiger Verlauf: Broicherdorfstraße bis Alte Heerstraße

Länge der Straße: 273 m

Kaarst, Am Winkelter Hof, Auflistung der Naturalabgaben des Winkelter Hofes aus dem Jahre 1802
Auflistung der Naturalabgaben des Winkelter Hofes aus dem Jahre 1802

Der Rat der Gemeindeverwaltung Kaarst beschloss in seiner Sitzung vom 23. März 1977, die von der Broicherdorfstraße in nördlicher Richtung abzweigende Straße Am Winkelter Hof zu benennen.[1] Die Straße ist mit beiderseitigen Bürgersteigen voll ausgebaut. Ihre s-förmige Trasse verläuft über das Gelände des ehemaligen Winkelter Hofes. Im nördlichen Bogen zweigt die Anliegerstraße „Im Bienefeldskamp“ ab, die sich nördlich bei der Einmündung auf die „Alte Heerstraße“ mit der Straße Am Winkelter Hof wieder verbindet. Im südlichen Drittel der Straße Am Winkelter Hof zweigt in westlichem Verlauf ein gepflasterter, fußläufiger Weg ab, der sich ca. in der Mitte des Verlaufes gabelt. Der nördlich verlaufende Teil endet auf der Anliegerstraße Im Bienefeldskamp, während der zweite Teil in westlicher Richtung weiter verläuft und auf der Straße „Zum Großen Bruch“ endet.

Namensgeber der Straße ist der ehemalige, inzwischen mit Wohnhäusern überbaute Winkelter Hof. Der Winkelter Hof gehörte mit zu den ersten im Broicherdorf als Bruchrand Hof errichteten Bauernhöfe.[2]

Kaarst, Der Winkelter Hof vor seinem Abriss Ende der 1960er-Jahre
Der Winkelter Hof vor seinem Abriss Ende der 1960er-Jahre

Die älteste urkundliche Erwähnung des Hofes stammt aus dem Jahre 1329. Anlass war die Verpachtung von neun Morgen Ackerland der Abtei Kamp an Johann von dem Winkel und seine Frau Elisabeth. Dieses Ackerland lag in der Nähe des Winkelter Hofes, bei dem Rayderbosch genannten Wald des Klosters Aula Sanctae Mariae, auf Deutsch St.-Marien-Saal. [3] Im Jahre 1340 wurde der Hof „to oder zo Winkel“ (= im Walde) genannt.[4] 1372 hieß er „Hennekenshoff zuom Wynkele“. Zu dieser Zeit war der Hof 30 Morgen groß und fünf Kurmudhöfe waren von ihm abhängig. Die Höfe waren zu diesem Zeitpunkt ein Lehen der Herren von Hochstaden in der Hand Heinrichs von Lauvenburg. 1522 kam der Winkelter Hof von dem Neußer Bürger, Engelbert Skröder, an den Beginenkonvent auf dem Michaelsberg in Neuß. Im Jahre 1670 war die Lehensqualität des Hofes verloren und er wurde in der Landesdeskription nicht mehr als adeliges Gut aufgeführt.[5] Aus dem Jahre 1765 sind dann wieder Pachtzahlungen dokumentiert. So brachte der Hof an Pacht 14 Malter Roggen, 6 Malter Buchweizen, 1 fettes Kalb, 8 Hühner, 3 Gänse, 100 Eier, 3 Käse. 10 Pfund Butter und die Hälfte aller Baumfrüchte.[6] Außer diesen Pachtzahlungen zahlte der Winkelter Hof, bemessen an der Größe des Anwesens, an den Hagelfeiern (am Freitag nach Christi Himmelfahrt) als Sachzehnten Naturalabgaben an verschiedene Empfänger: zum Beispiel an das Pastorat zu Willich 3 Malter und 6 Faß Roggen sowie 30 Bauschen Stroh (Bausch: lockeres Bündel). An die Kirche zu Kaarst unter anderem jährlich 2 Brote zu je 15 Pfund. Der Originaltext aus dem Jahre 1802 lautet:

„Winkelter Eigentümer hinter hofen oder so genante St. Michels Berg Neuß Hausplatz Garten und Baumgarten 1 ½ Morgen 33 Ruhten 8 fuß. Ackerland 44 ½ Morgen 4 Ruthen. Giebt Sachzehnten der Pastorat zu Willich 3 mald 6 faß Roggen macht 7 Cent 8 Pfund nebst 30 Bauschen Stroh. Sachzehnten der Kirche zu Karst 2 ½ faß Roggen und 2 ½ faß Haber macht an Rogg. 105 Pfund Sachzehnten dem Dom Capitel zu Köllen 1 ½ faß Roggen 1 ½ faß Haber Macht an Roggen 63 Pfund. Der Pastorat zu Karst jährlich 2 Brod a 15 Pfund. noch dem Pastorat zu Karst an Geld a Rt. Erbpfächtig den expesuit zu Köllen p Jahr 1 Mal. Roggen macht 2 Cent. 4 Pfund Jahrzins an Cusen auf Martinitag 2 Hühner a alb, 3 Pfund. Pferd = Kurmütig an Cusen Hof. Wiesen 1 Morgen schlechter Art, Luchten 1 Morgen schlechter Art. Eigen Wiesen johan Cluth 3 ½ Morgen 28 Pfund Ruthen.“ [7]

Im Kataster der Kaarster Bauernhöfe von 1794 ist der Hof immer noch im Besitz des Konvents auf dem Michaelsberg.[8] 1804 wurde der nunmehr „Winketerhof“ genannte Hof, zu dem knapp 14 Hektar Ackerland gehörten, von den Franzosen im Zuge der Säkularisation für 1.400 Reichstaler versteigert. Der Name des Erwerbers ist nicht bekannt.[9]

Bis zur Flurbereinigung 1958 bis Ende der 1960er-Jahre lagen die einzelnen Äcker der Höfe weit verstreut in verschiedenen Flurbereichen. So auch die Äcker des Winkelter Hofes, die im Kataster von 1794 mit Lage und Größe aufgeführt sind: [10]

Die Äcker des Winkelter Hofes im Kataster von 1794

Lage Größe
SUMMA 44 Morgen | 2 Viertel | 4 Ruthen
Im Broicher Dorf zwischen Bützckes und Bendhof, dem Kloster
Hinterholten in Neuß zuständig hat auf Kamp in seinen eigenen
Hecken
7 Morgen | 4 Ruthen
Vorhäupts an der Vicarie dem Lohmer Kirchen und Lauvenberger Acker langseitig an den Kirchenwegen, Steinweg und Bendacker 15 Morgen
Vorhaupts an der Gassen und Binger, langseitig an dem Lauvenberger und Serversacker 1 Morgen | 2 Viertel
Am Fähling vorhaupts am Lauvenberger Acker und dem Juferen
Weegen, langseitig am Lauvenberger Bend und Binger Acker
1 Morgen
An dem Bendweegen vorhaupts am Bückmes und Bingeracker, langseitig an Dressen, Binger und Lauvenberger acker 10 Morgen
An der Landwehr, vorhaupts am Steinweegs, und Lauvenberger Acker langseitig an Bend 10 Morgen
Kaarst, Am Winkelter Hof, Auszug aus dem Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst aus dem Jahr 1913. Schlößer Heinrich und Peter, Ackerer, Broicherdorf F 49.
Auszug aus dem Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst aus dem Jahr 1913. Schlößer Heinrich und Peter, Ackerer, Broicherdorf F 49.

Der Winkelter Hof lag bis in die 1960er-Jahre an der Broicherdorfstraße, gegenüber dem heute noch bewirtschafteten Bützkes Hof. Die Straße „Am Winkelter Hof“ wurde 1963 angelegt. Bevor die heutige Broicherdorfstraße amtlich benannt wurde, wurde der gesamte Ortsteil Broicherdorf postalisch um 1913 unter dem Buchstaben „F“ (plus Hausnummer) geführt. Der Winkelter Hof war damals unter der Hausnummer „F 49“ registriert und wurde von den Brüdern Heinrich und Peter Schlößer bewirtschaftet.[11] Später ging er durch Heirat an die Familie Vieten über, die den Hof bis in die 1960er-Jahre bewirtschaftete. Im Jahre 1968 wurde zuerst das Wohnhaus des Hofes abgerissen. 1969 folgte dann der Abriss der restlichen Hofgebäude.

Kaarst, Am Winkelter Hof, Aufnahme ca. 1969. Zu sehen ist das neue Wohnhaus der Hofbesitzer am linken Bildrand und die verbliebenen Wirtschaftsgebäude. Im Vordergrund das Haus von Metzgermeister Windberg.
Aufnahme ca. 1969. Zu sehen ist das neue Wohnhaus der Hofbesitzer am linken Bildrand und die verbliebenen Wirtschaftsgebäude. Im Vordergrund das Haus von Metzgermeister Windberg.
Kaarst, Am Winkelter Hof, Auf diesem Foto aus dem Jahr 2014 blicken wir aus der südlichen Kurve der Straße Am Winkelter Hof in Richtung Broicherdorfstraße. Die beiden Wohnblocks im Hintergrund stehen an der Flachsbleiche.
Auf diesem Foto aus dem Jahr 2014 blicken wir aus der südlichen Kurve der Straße Am Winkelter Hof in Richtung Broicherdorfstraße. Die beiden Wohnblocks im Hintergrund stehen an der Flachsbleiche.

  

10.08.2015


 

[1] StA Kaarst, N 102, Protokollbuch der Sitzungen des Rates der Gemeinde Kaarst 1975 - 1979

[2] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 62

[3] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 48, 82

[4] Bremer, Jakob: Liedberg, S. 313

[5] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 82

[6] Bremer, Jakob: Liedberg, S. 313

[7] StA Kaarst Sammlung Pfeiffer, Abgaben der Kaarster Bauernhöfe um 1800

[8] Sammlung Pfeiffer. Kataster der Kaarster Bauernhöfe aus dem Jahre 1794, Nr.108

[9] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 82

[10] StA Kaarst Sammlung Pfeiffer, Kataster der Kaarster Bauernhöfe, Nr.108

[11] Auskunft von Matthias Vieten, dem letzten Besitzer des Winkelter Hofes; StA Kaarst, Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Kaarst 1913

 

Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weiterlesen …