Bahnstraße
Stadtteil Büttgen
amtlich benannt am 11. Dezember 1946 durch den Rat der Gemeinde Büttgen
frühere Bezeichnungen: Communalweg von Grefrath durch Büttgen nach Driesch;
Bahnhofstraße, benannt am 25. Mai 1906; Adolf-Hitler-Straße, benannt am 17. Oktober 1933
heutiger Verlauf: Fußgängerunterführung am Robert-Grootens-Platz bis zur Holzbüttger Straße
früherer Verlauf: vom Bahnhof bis zur Gladbacher Straße / Rathausplatz
Länge der Straße: 106 m
Die Bahnstraße, eine der ältesten Straßen in Büttgen, hat im Laufe der Zeit mehrfach ihren Namen gewechselt. In der Auflistung „Beschreibung der Wege in der Gemeinde Büttgen“ aus dem Jahre 1868 wird sie als Communalweg von Grefrath durchs Dorf Büttgen nach Driesch bezeichnet.[1] Sie gehörte auch zu den ersten 12 Straßen in der Gemeinde Büttgen, die im Mai 1906 einen amtlichen Namen erhalten haben. Die erste amtliche Bezeichnung lautete Bahnhofstraße und sie führte vom Bahnhof bis in die Büttgener Ortsmitte.
Die Liste der ehemaligen Adolf-Hitler-Straßen in Deutschland, die im Jahre 1933 benannt wurden, ist sehr umfangreich. So hat die Einflussnahme der Nationalsozialisten auch in Büttgen dazu geführt, dem “Führer“ eine Straße zu widmen. Am 17. Oktober 1933 entschied der vom Büttgener Gemeinderat gebildete Beschlußausschuß, die Bahnhofstraße Dorf und die Blücherstraße (Teil der Driescher Straße vom Bahnhof bis zum Friedhof) von der Neußer Straße bis zum Friedhof erhält den Namen Adolf-Hitler-Straße.[2] Mit dem Ende des “Tausendjährigen Reiches“ wurde auf Anweisung Nr. 38 des Kontrollrates der Alliierten Kontrollbehörde, die besagte, dass alle bestehenden Gebäude, Denkmäler, Statuen und Straßenschilder, die geeignet sind, die deutsche militärische Tradition zu bewahren und lebendig zu erhalten und an die Nazipartei erinnern, als ungesetzlich erklärt und zu entfernen sind[3], die Adolf-Hitler-Straße vom Rat der Gemeinde Büttgen am 11. Dezember 1946 umbenannt in Bahnstraße.[4]
An der heutigen Bahnstraße befanden sich um die Jahrhundertwende auf der östlichen Seite fünf Gaststätten:[5]
1. Das Haus Nr. 20 aus dem Jahre 1857 gehörte dem Wirt und Bierbrauer M. Weyler. 1911 wurde der Gastwirt und Koch Hugo Bommes neuer Besitzer dieses Hauses und firmierte mit „Restauration zur Post“, denn in diesem Haus war auch die erste damals königliche Postagentur von Büttgen und zwar von 1873 bis 1938, und so wurde Hugo Bommes neben seinem Beruf als Gastwirt und Koch auch Postagent. Hugo Bommes war wohl sehr flexibel und einfallsreich, denn im Jahre 1928 eröffnete er die erste Tankstelle in Büttgen vor seinem Haus und unterhielt auch eine Fuhrwerkswaage, die noch in den 1950-Jahren existierte. Ein neben dem Haus stehender Saal, der auch zu diesem Anwesen gehörte, im Volksmund auch Tonhalle genannt, wurde von den heimischen Gesangsvereinen für Konzerte und Liederabende genutzt. Hans Bienefeld war der letzte Pächter der Postschenke bis Ende der 1960-Jahre. Dann wurde die Gaststätte zu Wohnungen umgebaut und der heutige Besitzer ist Johannes Konnertz mit einem Geschäft für Raumausstattung.
2. Die Gaststätte Josten war in Haus Nr.12, später war hier der landwirtschaftliche Hof von Peter Bayer und heute ist hier die italienische Eisdiele „La Rosa“ zu finden.
3. Die Gaststätte und Bäckerei von Matthias Heuser lag auch an der Bahnstraße Ecke Holzbüttger Straße, die er von einem Mättes Giesen erwarb. Willi Müller übernahm 1907 dieses Anwesen, brach die Baulichkeiten ab und baute an gleicher Stelle die Gaststätte „Jan van Werth“ mit dem Ecktürmchen, wie ihn die älteren Büttgener noch kennen, führte sie jedoch nicht selber, sondern sein Sohn Willi führte sie bis zu seinem Tode 1937. Dann übernahm die Tochter Gertrud mit ihrem Mann Peter Laumen den Gasthof. Ab 1962 führte die Tochter von Peter Laumen, Gerti Schulten mit ihrem Mann, dem Küchenmeister Heinz Schulten diesen Betrieb weiter. Im Zuge der Ortskernsanierung wurde die Gaststätte abgebrochen und am 16. August 1968 war die Eröffnung des Hotels mit Gaststättenbetrieb. Im Jahre 1988 übergaben die Wirtsleute Schulten ihrer Tochter Helga Schulten die Gastronomie mit Hotelbetrieb.
4. Der Gasthof und landwirtschaftliche Betrieb Brockers, später nur noch Landwirtschaft von Rütten-Schmitz, lag etwa da, wo heute das Reisebüro am Rathausplatz ist.
5. Die Gaststätte Weiers mit Saal, später Josef Junkers (Scheppisch Jupp) lag etwa an der Stelle des Juwelierladens Leßmann.
Von diesen ehemals fünf Gaststätten existiert heute nur noch eine, und zwar das Hotel „Jan van Werth“ mit Restaurant unter dem Namen „Brauhaus am Rathausplatz“.
Vom Bahnübergang aus auf der westlichen Seite der Bahnstraße befanden sich um die Jahrhundertwende folgende Geschäfte und Firmen: Metzgerei Karl Wirtz, heute ist hier Sonnenschutztechnik Werres, die 1908/09 erbauten Wohn-und Geschäftshäuser des Malermeisters Peter Dömges, heute hat hier eine Versicherungsagentur ihre Filiale, Schuhmachermeister Johann Schrills, heute ist hier ein Wohnhaus.
Dann folgte die Schreinerei Tillmann, deren Inhaber die Tonhalle der Postschenke gekauft hatte und den Betrieb dadurch ausbauen konnte. Heute befindet sich an dieser Stelle das Radhaus Kirchhartz. Daran angrenzend war die Gaststätte „Postschenke“, heute Konnertz Raumausstattung.
Es folgen zwei Wohnhäuser, die im Parterre zu Geschäften umgebaut wurden; heute befinden sich hier in den Geschäftsräumen eine Änderungsschneiderei und eine Pizzeria. Dann folgten der Friseursalon Ellinghaus, heute Boutique Käthe Ellinghaus und die Gaststätte Josten, heute Eisdiele „La Rosa“, die bis zur Ecke Holzbüttger Straße reichte. Es folgten weitere Häuser, die wegen der Ortskernsanierung weichen mussten: das Gasthaus von Willi Müller, heute Hotel „Jan van Werth“, der Gasthof Brockers, ein Mehrfamilienhaus, die Gaststätte von Josef Junkers (Scheppisch), der Kohlenhandel von Junkers wurde auf der Neußer Straße 7 bei Steinfort betrieben und Landwirtschaft Georg Schäfermeyer.
Gegenüber von Schäfermeyer, auf der westlichen Seite der Bahnstraße, standen die Scheune von Kuller-Hausmann, die 1843 erbaute Vikarie,[1] Wohnung der Vikare und Küster sowie das alte Rathaus. Im Zuge der Ortskernsanierung, der Neugestaltung des Büttgener Ortskerns, wurden die Scheune und die alte Vikarie im Jahre 1965 abgerissen. Bereits ein Jahr zuvor war der Abbruch des alten Rathauses erfolgt. In keiner Chronik oder Heimatgeschichte finden wir Jahreszahlen, die darüber Auskunft geben, wann dieses alte Rathaus gebaut worden ist. Im Jahre 1843 tauschte die Kirchengemeinde ihre damalige Vikarie gegen Grundbesitz der Gemeinde zwischen dem Anwesen Robertz (Hausmann) und der Kirche und errichtete dort eine neue Vikarie. Das von der Zivilgemeinde Büttgen erworbene Haus wurde als Gemeindehaus, als Rathaus genutzt. Der Baustil dieses Gebäudes legt die Vermutung nahe, dass die alte Vikarie um 1820 gebaut worden sein muss.[7]
Die St. Aldegundis-Pfarrkirche aus dem 12. Jahrhundert stand ebenfalls an der Bahnstraße, einem Teilstück, das heute zum Rathausplatz gehört.
Unmittelbar hinter dem Fußweg von der Bahnstraße zur Pampusstraße baute der Apotheker Anton Reng 1949 ein Geschäfts- und Wohnhaus und eröffnete hier die erste Apotheke in Büttgen, die Jan-van-Werth-Apotheke, heute nur noch Wohnhaus.
Die Stallungen des Pampushofes, die an der Bahnstraße lagen, der Eingang des Hofes lag am Hindenburgplatz, wurden Ende der 1930 - Jahre von der Zivilgemeinde Büttgen gekauft und 1946 zu Geschäftsräumen umgebaut. Bis 1959 waren hier Einzelhändler ansässig und zwar der Fahrradladen mit Reparaturwerkstatt von Theo Heitzer, Werner Schmidt Foto und Drogerie und ein Gemüse- und Obstladen von Katharina und Hans Wirkus.
1959 wurde der gesamte Komplex Pampushof und damit auch die Geschäftszeile niedergelegt und auf diesem Gelände entstand die heutige Geschäftszeile mit den Läden Drogerie Werner Schmidt, heute Parfümerie Platen, Bäckerei und Konditorei mit Cafe Peter Mies, heute Edmund Tockloth sowie das Schuhgeschäft von Peter Schrills, heute Pelikan-Apotheke.
Wir überqueren nun den Robert-Grootens-Platz und schauen westlich zur Sparkasse Neuss. Hier sehen wir auch den Maibaum der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Büttgen. Das Gelände vor der Sparkasse war ehemals ein Ascheplatz, der auch als Kirmesplatz genutzt wurde. Auch dieses Gelände bis zur Fußgängerunterführung gehört noch zur Bahnstraße.
07.08.2015
[1] StA Kaarst 1628, Beschreibung der Wege in der Gemeinde Büttgen
[2] StA Kaarst 1.089
[3] StA Kaarst 3.093
[4] StA Kaarst N 56, Protokollbuch des Gemeinderates Büttgen
[5] Klüber, Eduard: Bilder von einst und jetzt, S.18, 21 und 41 ff. Schriftenreihe Büttgen Heft 2
[6] Plog, Wilhelm: Heimatgeschichte von Büttgen, S.126,141. Klüber, Eduard: Büttgen – Bilder von einst und jetzt. Schriftenreihe Büttgen Heft 2, S.21
[7] StA Kaarst 3.726, Geschichte eines Verwaltungsgebäudes