Giemesstraße
Stadtteil: Kaarst
amtlich benannt zwischen 1910 und 1913 sowie durch den vom Kaarster Gemeinderat gewählten Ausschuss zur Umbenennung von Straßen und Ortsteilen am 22. März 1951
heutiger Verlauf : Martinusstraße bis Jungfernweg / Osterather Straße
früherer Verlauf: Kleinsiep (heute Friedensstraße) bis Jungfernweg
Länge der Straße: 194 m
Die heutige Giemesstraße bestand bis zum Jahre 1951 aus zwei Straßen, dem heutigen Teilstück von der Friedensstraße bis zur Kreuzung Kaiser-Karl Straße / Karlsforsterstraße und der Verlängerung von der Kaiser-Karl-Straße / Karlsforsterstraße bis zum Jungfernweg. Dieses zweite Teilstück hieß Friedhofstraße.
Giemesstraße und Friedhofstraße gehörten zu den 14 Straßen in der damaligen Gemeinde Kaarst, die zwischen 1910 und 1913 erstmals amtlich benannt wurden. Zu dieser Zeit waren beide Straßen enge, unbefestigte Dorfstraßen, ohne Beleuchtung und ohne Kanalisation. Das genaue Datum der amtlichen Straßenbenennung ist nicht mehr festzustellen. Es liegt jedoch eine Aufstellung der zu bestellenden Straßenschilder und Hausnummernschilder aus dem Jahr 1913 vor. Ebenfalls aus diesem Jahr liegt mit Datum vom 13. August 1913 ein Aktenvermerk über die Lieferung der Hausnummern- und Straßenschilder der Firma Süddeutsche Emaille-Schilder-Fabrik Jacob Leineweber, Sondernheim bei Germersheim, in Höhe von 162,26 Mark vor.[1]
Im Jahr 1951 wurde die Friedhofstraße ebenfalls in Giemesstraße umbenannt. Die Gemeinde Kaarst hat zu dieser Zeit eine umfassende Umbenennung von Straßen vorgenommen,[2] die von einem vom Kaarster Gemeinderat gewählten neunköpfigen Ausschuss zur Umbenennung von Straßen und Ortsteilen beschlossen wurde. [3]
Die Bezeichnung Giemesstraße war bereits vor der ersten amtlichen Benennung gebräuchlich. Sie begegnet uns im Kataster- und Abgabenbuch der Kaarster Bauernhöfe von 1794 als Gymesstraßen oder Giemesstraßen. [4]
Die Bezeichnung Giemesstraße erinnert an den uralten Giemeshof, der bereits im Kirchenbuch von 1495 als abgabepflichtig an den Halenhof genannt ist.[5] In Aufzeichnungen aus dem 7jährigen Krieg wird von einem Christian Giemes berichtet, dem ein Pferd bei den Zwangsdiensten für die französische Armee gestorben ist.[6] Im Kataster- und Abgabenbuch der Kaarster Höfe von 1794 ist der Giemeshof noch erwähnt.[7] Wie lange die Familie Giemes auf dem Hof war, ist nicht mehr festzustellen. Zuletzt wurde der Giemeshof von der Familie Robertz bewirtschaftet. 1926 wurden die Gebäude von der Gemeinde übernommen und auf dem Hof wurden Wohnungen für Bedürftige geschaffen. 1938 wurden Teile des Hofes abgerissen und der ehemalige Kuhstall wurde zu einem Kindergarten umgebaut, der dann im Volksmund „ Bauzestall“ genannt wurde (Bauze= Kälber) Dieser Kindergarten wurde von den Nationalsozialisten als Gegenstück zu dem katholischen Kindergarten des Marienheims, dem ersten Kindergarten in Kaarst, errichtet. Nach dem Krieg kümmerte sich zunächst der damalige Kaarster Pastor Otto Krott um den Kindergarten, der alsbald von der Gemeinde übernommen wurde. Die Schwestern des Marienheims betreuten zusammen mit weltlichen Erzieherinnen seitdem die Kinder in diesen Räumen. Lange Zeit war dieser Kindergarten der einzige in Kaarst. Mitte der 1990er-Jahre wurde das Gebäude, zuletzt genutzt von den Kaarster Pfadfindern, abgerissen und 1997 das Wohn-und Geschäftshaus mit der Hausnummer 1 an dieser Stelle erbaut.[8]
1913 gab es an der Giemesstraße nur wenige Häuser. Neben dem alten Giemeshof begann das sogenannte Husemesfeld, das deutlich über dem Straßenniveau lag. Die Giemesstraße verlief in diesem Abschnitt in einer Mulde. Im Bereich des Vinzenz-Hauses kann man heute noch einen Höhenunterschied erkennen. Neben dem Husemesfeld stand das Haus der Familie Leusch, dann folgte ein altes, später verputztes Fachwerkhaus, das seit 1770 im Besitz der Familie Hüsen war. In diesem Haus gab es noch bis etwa 1900 einen Webstuhl. Zwischen diesem Haus und der Einmündung der Kaiser-Karl-Straße stand die Scheune der Familie Busch mit dem Tor zur Giemesstraße. Auf der gegenüber liegenden Seite der Giemesstraße stand der alte Stengshof In diesem Haus befand sich jahrhundertelang eine Gastwirtschaft. Schon nach dem Dreißigjährigen Krieg war dort das „Remmertz Erb“, genannt der Morgenstern, dem Henrich Schmitz zugehörig.“ [9] Im Siebenjährigen Krieg besteht die Wirtschaft Remmertz Erb noch immer.[10] Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts waren in diesem Haus eine Wirtschaft mit Tanzsaal und auch eine Metzgerei. Später, nach dem II. Weltkrieg, war dort die erste Drogerie von Kaarst. Damals gehörte das Haus der Familie Stengs, doch der Name Remmertz hatte sich über die Jahrhunderte im Volksmund erhalten. Die ältere Generation nannte dieses Haus auch nach dem Krieg noch „an Remmisch“.
Neben diesem Haus stand ein alter Bauernhof, der damals der Familie Steinfels gehörte. Hier wurden nebenberuflich Holzschuhe (Klompe) hergestellt. Nach dem II. Weltkrieg zog die Familie Hüsen in dieses Haus und bei den Umbauarbeiten wurde festgestellt, dass das Haus alte Gewölbekeller hat und Dachsparren von 1840, die noch erhalten sind. Nebenan stand das Haus von Bolten, dann folgte wieder Ackerland bis zum Marienheim. Zwischen Marienheim und Friedensstraße standen noch zwei weitere Häuser.
Das Marienheim wurde 1913 erbaut. Dem Bau vorausgegangen war ein Spendenaufruf unter Federführung des damaligen Bürgermeisters Bergerfurth anlässlich der Silberhochzeit des deutschen Kaiserpaares am 21.02.1906. Man wollte ein katholisches Schwesternheim mit Alten- und Pflegeheim schaffen. Der vom Husemeshof stammende Franz Wilms, Pfarrer in Heidelberg, stiftete einen großen Geldbetrag und stellte das Land zur Verfügung. Zusammen mit den übrigen Spendengeldern konnte das Projekt 1913 dann verwirklicht werden. Das Marienheim weist eine sehr wechselvolle Geschichte auf. 1913 wurde es unter dem Namen „Katholisches Schwesternheim“ geführt und war eine Niederlassung der Genossenschaft der Augustinus-Schwestern mit folgenden Aufgabenbereichen: ambulante Krankenpflege, Kleinkinder-Bewahrschule, Handarbeitsschule, Waisenanstalt und Pfründnerhaus (Altenheim). [11] Im I. Weltkrieg war im Marienheim ein Lazarett eingerichtet. Während der national-sozialistischen Zeit wurde dort der Religionsunterricht abgehalten. Auch das Pfarrbüro der katholischen Kirche befand sich eine Zeitlang im Marienheim. Im Oktober 1999 wurde das erste Hospiz von Kaarst dort eingerichtet.
Das zweite Teilstück der heutigen Giemesstraße ist die ehemalige Friedhofstraße. Sie wurde nach dem Kaarster Friedhof benannt, dessen Haupteingang an dieser Straße liegt. 1913 war der Friedhof mit einer steinernen Mauer umgeben und der Eingang war mit einem eisernen Gittertor versehen. An der Ecke zum Jungfernweg stand ein kleines Steinhäuschen, das als Stellplatz für den Leichenwagen sowie als Geräteschuppen diente.
Der Friedhof, der in früheren Zeiten rund um die Kirche Alt St. Martin lag, wurde im Mai 1763 auf diesen neuen Platz verlegt. Die Gemeinde Kaarst hatte das Grundstück von der St. Sebastianus Bruderschaft gekauft. Zwei Männer, Herman Brocher und Johan Zentzen haben 11 Tage lang die Toten umgebettet und dafür pro Tag 30 Stüber und ein halbes Glas Branntwein erhalten. [12] 1824 wurde durch Tauschvertrag ein weiteres Grundstück von der Kirche erworben. 1882 wurde der Friedhof nochmals erweitert und auch der neue Teil wurde mit einer Steinmauer eingefasst.[13]
Neben dem Friedhof, nach der Einmündung des Jungfernweges, lag die Gärtnerei der Familie Walge / Rongen, daneben die Häuser von Bendt und vom Butterhandel Röttgen. In einem Verzeichnis der Gemeinde Kaarst von 1948 steht, dass in diesem Haus neben dem Butterhandel auch eine Maggiwürfelfabrikation betrieben wurde.[14] Das Nachbarhaus war das Haus von Hövels, das Stammhaus der heutigen Gärtnerei im Tönisfeld. Dann folgte das Doppelhaus von Brüster und der Schusterwerkstatt Pooschen. Auf der gegenüberliegenden Seite stand das Haus von Tillmann, auch in diesem Haus gab es eine Wirtschaft. Nebenan wohnte die Familie Henzen und daneben stand der Hof der Milchhandlung Geuen / Drießen.
Im Zuge des Autobahnbaus Ende der 1960er-Jahre wurde die Giemesstraße zum Autobahnzubringer ausgebaut und verbreitert. Auf beiden Seiten der Straße wurden Fuß- und Radwege angelegt. Fast alle alten Häuser in der Straße wurden damals abgerissen. Das ehemalige Husemesfeld wurde mit Einfamilienhäusern bebaut und die Stichstraße Am Marienheim wurde dort angelegt. Auf der bisher freien Fläche neben dem Marienheim entstand das Vincenz-Haus, an der ehemaligen Friedhofstraße wurde ein großer Parkplatz angelegt, der die Sicht auf die alte Kirche freigibt.
10.09.2015
[1] StA Kaarst 1.036, Hausnummerierung und Bezeichnung der Straßen
[2] StA Kaarst 3.800, Straßenbenennungen
[3] StA Kaarst N 16, Niederschrift der Sitzung des Rates der Gemeinde Kaarst vom 12.12.1950
[4] Sammlung Pfeiffer. Kataster der Kaarster Bauernhöfe aus dem Jahr 1794, Nr. 151 und Nr. 152
[5] Pfeiffer, Andreas: Die Kaarster Orts- und Flurbezeichnungen. Kaarster Mitteilungen. Nr.5, 05.06.1965
[6] Pfeiffer, Andreas: Kaarst im 7jährigen Kriege
[7] Sammlung Pfeiffer. Kataster der Kaarster Bauernhöfe aus dem Jahre 1794, Nr.125
[8] Erschließungsakte Bereich 60, Giemesstraße 1-3
[9] Pfeiffer, Andreas: Von unserer Väter Art. Kaarster Mitteilungen. Nr.24, 03.12.1966
[10] Pfeiffer, Andreas: Kaarst im 7jährigen Kriege
[11] StA Kaarst, Einwohnerverzeichnis 1913
[12] Peschkes, Heinrich: Aufzeichnungen von 1757 – 1771, Privatsammlung
[13] StA Kaarst 199, Lagerbuch der Gemeinde Kaarst, Abt. VII Begräbnis Plätze
[14] StA Kaarst 2.073, Verzeichnis der in der Gemeinde Kaarst vorhandenen Betriebe