Gladbacher Straße
Stadtteil Büttgen
amtlich benannt am 25. Mai 1906 durch den Rat der Gemeinde Büttgen
heutiger Verlauf: Pampusstraße bis L381
früherer Verlauf: von der Landstraße Mönchengladbach bis zur Kreuzung Bahn-, Glehner-, Neußer Straße (Militärische Rückzugstraße 42)[1a]
Länge der Straße: 606 m
Der Name der Gladbacher Straße weist auf die Stadt Mönchengladbach [1] hin. Zum Zeitpunkt der Benennung im Jahre 1906 war sie eine Durchgangsstraße in Büttgen und sie führte bis zur Ortskernsanierung in den 1960er Jahren von der Neußer Straße, heute Novesiastraße, über die Kreuzung Bahnstraße / Glehner Straße bis zur Ortsmitte von Büttgen und weiter Richtung Kleinenbroich und Mönchengladbach.
Von Kleinenbroich kommend lag am Ortseingang von Büttgen, gleich hinter einer Kurve auf der linken Seite die 1916 erbaute Gärtnerei der Gesellschaft zur Förderung des Gemüsebaues im Landkreis Neuss, mit Wohnhaus, Kohlscheune und Unterglasflächen. Im Volksmund wurde der gesamte Komplex „Die Kohlscheune“ genannt. Dieser Betrieb wurde im Laufe der Zeit von mehreren Pächtern bewirtschaftet. Im Jahre 1938 pachtete der Gärtnermeister und spätere langjährige Bürgermeister der Gemeinde Büttgen, Eduard Klüber (Bürgermeister von 1961 — 1974 und Namensgeber der Eduard-Klüber-Straße) diesen Gartenbaubetrieb, den die Eheleute Klüber 1941 schließlich käuflich erwarben. Die Gärtnerei war im gesamten Kreisgebiet bekannt. Hier wurden jährlich rund 2 Millionen Jungpflanzen für Landwirte und Gemüsebauern angezogen.
Von der Kurve am Ortsausgang vom Dorf aus kommend, führte rechts entlang der Gärtnerei der Struckerweg, die heutige Benatekstraße. Südlich zum Struckerweg gelegen, also auf der linken Straßenseite, führte ein weiterer Feldweg, der nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge geeignet war, in Richtung Gartenstraße/ Glehner Straße, südlich am Grundstück und Wohnhaus von Hans-Peter Keller (deutscher Lyriker; nach ihm ist in Büttgen die Straße Hans-Peter Keller-Weg benannt) vorbei. Dieser Feldweg verschwand durch die Landzusammenlegung Mitte der 1960er Jahre.
Von der Straßengabelung links der Gladbacher Straße, südliche Richtung, führte ein Schotterweg in die Buscherhöfe. Die Gabelung rechts führte als Feldweg in die Weilerhöfe, heute die Straße An der Wegscheider Heck.
Das gesamte Areal zwischen dem Gartenbaubetrieb und der geschlossenen Bauweise an der Gladbacher Straße wurde von der Ortsplanung der Gemeinde zum Baugebiet erklärt und ein Bebauungsplan (Bestandskraft 26.09.1970) erstellt. Aus diesem Grunde gaben die Eheleute Eduard Klüber sen. ihren Gartenbaubetrieb im August 1968 auf. Das gesamte Gärtnereigelände wurde zwischen 1970 und 1975 mit Einfamilienhäusern bebaut.
Mit Theodor Bausch wohnte im Haus Nr.12 ein weiterer Bürgermeister der Gemeinde Büttgen an der Gladbacher Straße. Theodor Bausch war von 1951 bis 1961 Büttgener Bürgermeister. Während seiner Amtszeit wurden unter anderem im Jahre 1955 ein neues Feuerwehrgerätehaus an der Driescher Straße errichtet und das evangelische Kinderheim an der Sebastianusstraße eingeweiht. Im westlichen Teil Büttgens entstand das „Heiligenviertel“, 1956 war der Beginn der Flurbereinigung. Weitere Neubauten und Umbauten in seiner Amtszeit waren der Bau des Altenheimtraktes am St. Aldegundis-Krankenhaus im Jahre 1957, der Bau der Evangelischen Volksschule an der Römerstraße, die im Frühjahr 1959 eingeweiht wurde und die Errichtung des Kreiswasserwerkes in Driesch im Jahre 1959.
An der Ecke Pampusstraße / Gladbacher Straße finden wir das älteste noch bestehende Schulgebäude in der Stadt Kaarst. Es handelt sich um die 1902 errichtete 2-klassige katholische Volksschule der Gemeinde Büttgen, die 1908 die erste Erweiterung und 1934 die zweite Erweiterung erfuhr. Heute wird das Gebäude von der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft Büttgen verwaltet wird und nicht mehr für schulische Zwecke genutzt.
Die an das Schulgebäude angrenzenden Häuser an der Gladbacher Straße in Richtung Kleinenbroich entstanden zwischen 1901 und 1930. Um 1915 wurde die Gladbacher Straße mit Schotter befestigt und beginnend am Ortsausgang in westlicher Richtung bis zur Gärtnerei beidseitig mit Lindenbäumen bepflanzt, wodurch eine wunderschöne Allee entstand. Aufgrund der Verbreiterung der Gladbacher Straße und Anlage der Kanalisation Ende der 1960er Jahre mussten die Bäume gefällt werden.
An der Gladbacher Straße lagen früher mit dem Pampeserhof, dem Seidenfamshof auch als Lammertzhof oder Hannenhof bekannt, dem Höckels-Hof, dem Hoster-Hof und dem Dammerhof fünf geschichtsträchtige Bauernhöfe:
Pampeserhof
Auf der südlichen Seite in Richtung Ortsmitte befand sich Ackerland mit einer Feldscheune, die zum Pampeserhof (Hausmannshof) gehörten. Der Hof hat seinen Namen von seinem früheren Besitzer, den man im Volksmund Pampeser Kobes nannte. Bis 1918 war im Wohnhaus des Pampeserhofes auch eine Gaststätte eingerichtet. Das dort ausgeschenkte Bier wurde in der hauseigenen Brauerei des Hofes gebraut. Die große Pumpe, mit der das Wasser zum Brauen des Bieres hochgepumpt wurde, steht heute noch auf dem Hof.[2]
Franz Hausmann übernahm nach dem II. Weltkrieg den Pampeserhof und bewirtschaftete ihn bis zu seinem Tode. Danach bewirtschaftete noch seine Tochter Marlies mit ihrem Mann die Ländereien. Heute ist dieser unter Denkmalschutz stehende Hof zu einem schönen Mehrfamilienhaus umgebaut worden. Auch die Wirtschaftsgebäude wurden zu sehr schönen Wohneinheiten umgebaut.
Westlich neben dem Pampeserhof standen zwei kleine Einfamilienhäuser. In einem der Häuser wohnte der Schneidermeister Theodor Esser, der dort auch seine Nähstube hatte. Auf der nördlichen Seite der Gladbacher Straße befand sich das Baugeschäft Karl Hebben.
Nördlich, gegenüber dem Pampeserhof, war die Schreinerei von Hermann Pütz. Sohn Hans übernahm den Betrieb, legte den Schreinereibetrieb still und baute ihn zu einem Bestattungsunternehmen um. Dieses wurde bis April 2016 in dritter Generation weitergeführt. Der junge Bestattungsunternehmer Peter Bayer, führt das Geschäft von Bestattungen Pütz weiter. Im heutigen Ausstellungsraum des Bestattungsunternehmens Pütz war das erste Ladenlokal, in dem der Drogist Werner Schmidt im Jahre 1947 Büttgens erste Drogerie eröffnete.
1952 zog er dann zur Bahnstraße in die ehemaligen Stallungen des Pampushofes, die zu Geschäftsräumen umgebaut worden waren. Im Hause Ilbertz-Töller-Esser, Gladbacher Straße 6, waren ab 1899 die Geschäftsräume der Gemeindesparkasse und der Gemeindekasse Büttgen untergebracht. Der Umzug der Sparkasse zum Kirchplatz 3 in die alte Schule erfolgte im Jahre 1911.[3] Im Hause nebenan folgte der Friseursalon Jakob Nilges, heute Top Hair Team, Haus Nr. 4.
Seidenfamshof
Der ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Seidenfamshof (Lammertzhof, auch Hannenhof), liegt in der Rechtskurve der Gladbacher Straße, die Toreinfahrt des Hofes liegt heute auf der Bachstraße, die ehemals aber auch zur Gladbacher Straße gehörte. In der Ortskernsanierung wurde entlang des Hannenhofes eine Verbindung zur Glehner Straße geführt, die in Bachstraße benannt wurde.
Für den Ursprung Seidenfam (im Volksmund Fam = Faden) gibt es zwei Überlieferungen:
Die erste Möglichkeit ist, dass auf dem Hof ein Gefängnis der Liedberger Gerichtsbarkeit eingerichtet war. Die Gefangenen waren bis zu ihrer Verurteilung symbolisch mit einem Seidenfaden gefesselt. Ihr Schicksal hing sprichwörtlich am seidenen Faden.
Die zweite Möglichkeit ist: ein Seidenfaden markierte auch eine Grenze. Zwischen dem Büttgener Pfarrgut und dem Seidenfamshof lag ein Markstein, der Limitenpohl, der die Grenze zwischen der Liedberger Gerichtsbarkeit und der des Gräflichen Landes darstellte.2 Der Seidenfamshof und das Pfarrgut lagen und liegen auch heute noch nahe bei einander. In den Jahren 1976/1977 siedelte die Familie Hannen um. Zwischen Büttgen und Driesch in Richtung Wasserwerk entstand der neue Hof, der Neu-Lammertzhof. Hier werden Bioprodukte auch aus eigenem Anbau angeboten. Im Seidenfamshof sind heute verschiedene Einzelhandelsgeschäfte und Wohnungen untergebracht.
Höckelshof
Der Höckelshof lag dort, wo die Büttgener Kaiser´s Filiale war und jetzt eine Karateschule betrieben wird. Der Hof bestand bereits seit 1865 [3a]. Die ehemaligen Besitzer waren die Eheleute Karl und Maria Schmitz, deren Sohn Toni Schmitz unverheiratet blieb und im Jahre 1939 den Hof mit einem Teil der Ländereien an die Eheleute Heinrich und Katharina Höckels verkaufte. Das Haus mit Garten reichte vor der Ortskernsanierung von der Gladbacher Straße, so hieß der Rathausplatz damals, bis zum Judenpfad (im Volksmund Jüddepatt). Dieser Feldweg kam aus Glehn, führte über die Buscherhöfe am Haus des Dichters Hans-Peter Keller vorbei und mündete auf die Gartenstraße.
Die Tochter der Eheleute Höckels, Maria Dohmes bewirtschaftete mit ihrem Mann Willi den Hof seit 1961. Im Zuge der Ortskernsanierung 1976 siedelte Familie Dohmes auf die ihnen bei der Flurbereinigung zugeteilte Ackerfläche um. Der an der Grefrather Straße, der L154, neu errichtete Höckelshof ist ein Mischbetrieb mit Ackerbau und Viehzucht. Heute führt der Sohn Heinz-Josef den Hof in gleicher Weise fort.
Neben dem Höckelshof folgte das Anwesen der Familie Sieburg mit Wirtschaftsgebäuden. In einem der Wirtschaftsgebäude, das an der Gladbacher Straße lag, wurde das Büttgener Kino errichtet. Das war in den Jahren 1953 bis Anfang der 1960er Jahre. Nachdem in den Jahren vor 1950 in mehreren Sälen Filmvorführungen stattgefunden hatten, wurde am 6. Mai 1950 der Antrag für die Errichtung eines ortsfesten Filmtheaters in Büttgen gestellt. Die Gemeindeverwaltung begrüßte das Anliegen sehr und antwortete dem Antragsteller, Herrn Scheid von den Lichtspielen Kapellen: „Die Gemeinde ist an der Errichtung eines festen Filmtheaters in Büttgen auf das Stärkste interessiert und ist bereit, Ihr Vorhaben nach Kräften zu fördern und zu unterstützen.“
Herrn Scheid wurde sogar die Erlaubnis erteilt, vor Beginn der Kino-Vorstellung, eine halbe Stunde mit seinem Lautsprecherwagen eine Reklamefahrt durch die Gemeinde zu machen.[4] So entstand in einer Scheune des Hauses Sieburg an der Gladbacher Straße mit dem Residenz Theater das erste Büttgener Kino. Das Residenz Theater verfügte über 248 Sitzplätze und wurde von den Herren Labs und Dressler betrieben.
Ebenfalls in den 1950er Jahren wurde auf diesem Grundstück die Wäscherei Sieburg-Breuer eingerichtet. Zwischen Haus Sieburg und dem Hof von Hubert Hoster lag die Gartenstraße. Sie war ein schmaler Weg, der zur Glehner Straße, entlang der Villa Mayer-Rolshoven führte.
Hosterhof
Der Hosterhof lag an der Gladbacher Straße / Ecke Gartenstraße. Belegt ist durch einen Kaufvertrag, dass er vor 1905 dem Rentner, Ackerer und Ökonomieverwalter Wilhelm Kluth gehörte. Der Kaufvertrag ist auf die Eheleute Johann und Katharina Hoster ausgestellt. Die Eheleute hatten vier Kinder und Sohn Hubert übernahm 1940 mit seiner Frau Maria den elterlichen Hof. Da der Hof wegen der Ortskernsanierung abgebrochen werden musste, baute Familie Hubert Hoster auf ihre bei der Flurbereinigung[nbsp] zusammen gelegten Ländereien am Felskuhler Weg einen neuen Bauernhof und nannten ihn Felskuhler Hof, in den sie 1972 einziehen konnte.
Er liegt östlich vom Lüttenglehner Weg in Richtung Birkhof. Die Eheleute Hubert und Maria Hoster hatten sechs Kinder. Das älteste der Kinder war der Sohn Willi. Er übernahm 1980 den Hof. Im Frühjahr 1997 verunglückte Willi Hoster tödlich auf dem Hof. Das Wohnhaus wird heute von einem Verwandten des Hubert Hoster bewohnt und die Ländereien von einem Enkel bewirtschaftet.
Dann folgte das Wohnhaus der Brüder Josef und Gottfried Stump, daneben war das Haus des Josef Busch, der eine Schusterwerkstatt betrieb. Später wurde diese Werkstatt von Schuhmachermeister Albert Schulz und dessen Sohn weitergeführt.
In Haus Nummer 2 war der Familienbetrieb mit Bäckerei und Lebensmittel Holzapfel-Bister. Die Backstube wurde Anfang der 1960er Jahre geschlossen, so dass dann nur noch Lebensmittel verkauft wurden. Es war ein schöner Laden, drei Generationen standen hinter der Theke, eben ein richtiger Tante Emma Laden mit freundlicher Bedienung, wo man auch gerne mal einen Plausch halten konnte. Es war alles so persönlich, weil ja jeder jeden kannte. Durch die Ortskernsanierung mussten die Gebäude abgebrochen werden. Familie Holzapfel-Bister baute auf dem gleichen Grundstück ein neues Geschäftshaus und konnte im Jahre 1975 einen neuen, modernen Selbstbedienungsladen mit Frischfleischabteilung eröffnen.[5]
Dammerhof
Als letzten geschichtsträchtigen Hof kann nun der Dammerhof genannt werden. Er lag an der Ecke Gladbacher- / Glehner Straße und hatte die Hausnummer 1, dort wo jetzt die Geschäftsstelle der Volksbank eG ansässig ist. Bis 1855 war der Hof im Besitz der Familie Ferfers und wurde Ferfershof genannt, bis er dann 1856 von der Familie Dammer käuflich erworben wurde. Die Geschichte des Dammerhofes ist sehr interessant und wird ausführlicher im Drei-Lindenhof beschrieben (Siehe Straße am Lüttenglehner Weg). In den 1960er Jahren fand die große Flurbereinigung statt und so konnten mehrere Parzellen der Familie zusammengelegt werden. Auf diesem Flurstück wurde dann 1965/66 ein neuer Bauernhof gebaut und die Familie Dammer gab diesem Hof den Namen Drei-Linden-Hof.
Alle Häuser der Gladbacher Straße, die in der Ortsmitte lagen, wurden im Zuge der Ortskernsanierung in den Jahren 1969 — 1974 Jahren abgebrochen. Es entstand der neue Rathausplatz mit einem Einkaufszentrum.
In den 1960er Jahren wurde auch die südliche Umgehungsstraße, die L 381, von Neuss in Richtung Mönchengladbach gebaut. Dadurch wurde die Gladbacher Straße für den Ortsverkehr stark entlastet.
11.11.2016
[1] Zum Zeitpunkt der Benennung der Gladbacher Straße lautete der Name der kreisfreien Stadt München-Gladbach. Zur Geschichte des Stadtnamens siehe: https://www.moenchengladbach.de/leben-in-mg/stadtgeschichte/erste-anfaenge/
[1a] Zeitzeuge Hans Hüsen
[2] Klüber, Eduard: Mühlen und Bauernhöfe. Schriftenreihe Büttgen, Heft 11/12, S.106,S. 50
[3] Kirchhartz, Peter: Die Sparkasse im Wandel der Zeiten. Schriftenreihe Büttgen. Heft 32, S. 53
[3a] Wochenspiegel 28.01.1977
[4] StA Kaarst 2.145, Gewerbewesen. Lichtspieltheater / Kinos. 1949 – 1960.
[5] Auskunft von Marita und Peter Bister