Jungfernweg
Stadtteil: Kaarst
amtlich benannt am 22. März 1951 durch den Rat der Gemeinde Kaarst
frühere Straßenbezeichnung: Jungfernstraße, amtlich benannt zwischen 1910 und 1913
heutiger Verlauf: Giemesstraße bis zum Wendehammer hinter dem Friedhof mit Weiterführung als Landwirtschaftsweg am Neuhof (Langenfels) vorbei bis zur Alten Heerstraße
Länge der Straße: 657 m
Dem Jungfernweg kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als er bereits 1794 als „Jufern Weeg“ [1] zu einer Zeit einen Namen trug, als Straßen und Wege gerade in ländlichen Gebieten in der Regel nicht bezeichnet waren. 1857 wird der Jungfernweg beschrieben als Feldweg aus dem Dorf Kaarst am Kirchhof vorbei über das Feld an Bend Vehling vorbei bis in die Lange Hecke (Anmerkung: heute Alte Heerstraße). Er war 400 Ruthen lang (1,728 km) und 12 Fuß breit (3,80 m). [2] Mit dem Bau der Autobahn A 52 im Jahr 1970 wurde der Jungfernweg nach Süden verlegt und begradigt. Als in den Jahren zwischen 1910 und 1913 erstmals Straßen in der Gemeinde Kaarst amtlich benannt wurden, erhielt er den Namen Jungfernstraße. [3]
Die Herkunft dieses Namens ist ungeklärt. Eine Theorie ist, dass die Nonnen des 1214 gegründeten Zisterzienserklosters St.-Marien-Saal, [4] in der Nähe des Böckemeshofes gelegen, von dort ihren Weg zur romanischen Kirche St. Martinus ins Dorf nahmen. Dagegen spricht, dass sie mit der „Witten Kerk“ in der Nähe des Klosters ihre eigene Kirche hatten.
Der Name könnte auch von den Sagengestalten der „Juffern“ stammen. Diese waren der Sage nach vornehm gekleidete Frauen, die plötzlich auf Wiesen und Feldern erschienen. Dies konnte sowohl Unheil als auch eine gute Ernte bedeuten.
Ursprünglich führte der Jungfernweg vom Alten Dorf nach Westen auf den Neuhof zu, weiter in einem leichten Süd-West-Knick zur Bützkes Kull und weiter Richtung Schiefbahn auf die Lange Hecke (heute: Alte Heerstraße) bis Alt-Kusen.
Heute führt sie von der Giemesstraße gegenüber der alten Kirche am Friedhof vorbei in einen Wendekreis. Von dort schließt sich ein Landwirtschaftsweg an, an dem sich der Neuhof, im Besitz der Familie Langenfels, befindet. Postalisch gehört der Hof zum Jungfernweg. Der Neuhof wurde 1860 an dieser Stelle im Zollhauserfeld erbaut. Er ist der Nachfolgehof des sehr alten Rittersitzes Haus Lovenberg, im Volksmund Alt-Kusen genannt, der am Ende des Broicherdorfes stand und von dem heute nur ein ehemaliges Gesindehaus erhalten ist. Der Name Kusen hat sich bis heute im Volksmund erhalten und wurde auf den Neuhof übertragen. Noch der kürzlich verstorbene Seniorchef des Neuhofs, Hanns Langenfels, wurde von den Alt-Kaarstern "dä Kuse" (der Kusen) genannt. Die Familie Langenfels hat sich übrigens des „Kreuzes an der Linde“ angenommen, das dem Bau der Autobahn A 52 weichen musste. Es hat am Hof einen neuen Platz gefunden.
Auf der Ecke zur Giemesstraße befand sich früher der Bauer Walge/Rongen, später die erste Friedhofsgärtnerei von Kaarst. Heute ist hier ein Fahrradgeschäft und der Steinmetzbetrieb-Rongen, wo hauptsächlich Grabsteine gefertigt werden. Hier stand das alte Haus Nr.1, wo sich 1955 die einzige Beleuchtung der Straße befand. Die Gemeinde hatte dort eine Straßenlaterne angebracht, die an der Stromversorgung des Hauses angeschlossen war. Der Besitzer, Theodor Pauen, wurde verpflichtet, das Ein- und Ausschalten zu übernehmen. Als Entschädigung bekam er das Wasser kostenlos geliefert.
Hinter dem Steinmetzbetrieb folgt auf der gleichen Seite bis zum Wendehammer reine Wohnbebauung. Diese wird unterbrochen durch eine Zufahrt und zwei fußläufige Wege zur dahinter liegenden „Dichtersiedlung“. Die Bebauung ließ das kleine Häuschen der Weißnäherin Bendt weichen. Sie fertigte Tisch- und Bettwäsche an und wurde „Bendt Pöppke“ genannt, weil sie so klein wie ein Püppchen war.
Die gegenüberliegende Seite bis zum Wendehammer wird vom Friedhof eingenommen, der im Jahre 1763 angelegt wurde. In den Aufzeichnungen des Heinrich Peschkes finden wir folgenden Hinweis: „1763 15. May hat die Gemeinden den Kirchhof lassen abfahren und erkauft die Gemeinde Heyd auf dieser Seith der Gemeinden der Bruderschaft St. Sibastianus dan der Herman Brocher und Johan Zentzen die Totenleichen auß und eingesenkt und inen p. (pro ) Tag ist versprochen worden ad 30 Sbr (Styber) und 1 halb g. (Glas) Brandwein und haben darauf gearbeith elf Tag 12 Thr. (Taler) 6 Sbr. (Styber)“ [5] Durch Landzukauf am 12. September 1824 und am 31. August 1882 [6] erhielt der Friedhof, im damaligen Sprachgebrauch Kirchhof, eine dreieckige Form und wurde daher im Volksmund „De Dreitömp“ genannt. Bis zur Anlage dieses neuen Friedhofes hatten die Bestattungen auf dem Friedhof um die Kirche im Alten Dorf stattgefunden.
Ursprünglich war der Friedhof von einer Mauer umgeben. Bürgermeister Holz berichtet 1884 darüber: „Der Begräbnißplatz ist ringsum mit einer massiven Mauer umgeben, mit einem eisernen Gitterthor versehen und liegt an nordwestlicher Seite des Dorfes Kaarst.“ [7] An dieser Mauer führte ein schmaler Feldweg entlang. Etwa um 1900 wurde der Weg verbreitert, die Mauer und einige Gräber mussten weichen.
Unmittelbar hinter dem Haupteingang befinden sich unter einem Baum die Gräber früherer Pfarrer in Kaarst. Hier endete früher auch die Fronleichnamsprozession.
Dahinter, auf dem Weg zur alten Friedhofskapelle, liegen auf der rechten Seite Kriegsgräber der Gefallenen aus dem II. Weltkrieg, Soldaten aus Kaarst sowie Unbekannte, die hierher überführt worden sind. Die Pflege dieser Gräber erfolgt durch die Stadt Kaarst.
Heute befinden sich auf dem Friedhof zwei Kapellen. Die alte Kapelle, erbaut 1956, [8] wurde 1987 von den Sebastianusschützen vor dem Abriss gerettet und in eine Sebastianus-Gedenkstätte umgewandelt. An der Wand befindet sich eine Tafel mit allen Teilnehmern und Gefallenen des I. Weltkrieges, jeweils mit Bild und Namen. Bei Beerdigungen von Schützen werden die Glocken in dem kleinen Turm vor der Kapelle geläutet. Lange gab es neben der Kapelle als weiteres Gebäude nur einen Geräteschuppen, in dem sich der Leichenwagen und die Gerätschaften der Friedhofsarbeiter befanden.
1984, nach der Erweiterung des Friedhofs, wurde durch den zuständigen Ausschuss die Errichtung einer neuen Kapelle beschlossen. Bei der öffentlichen Ausschreibung gingen 130 Entwürfe ein.
Bereits im Frühjahr 1987 konnte die Einweihung stattfinden. In der überbauten Fläche von 700 qm befinden sich die Kapelle (ca. 200 qm), die Aufbewahrungskammern, die Aufenthaltsräume, ein abgeschlossener Sozialbereich für die Friedhofsmitarbeiter sowie öffentliche Toilettenanlagen.
Der Kaarster Künstler Burkhard Siemsen gestaltete den Sakralraum mit den großen Glasfenstern. Holz- und Glasflächen vermitteln den Charakter einer Waldkapelle.
Im erweiterten Teil des Friedhofs liegen Grasflächen, die für anonyme Urnenbestattungen, sowie für Gruppen von Urnengräbern dienen, wobei bei diesen die Namen der Verstorbenen auf großen Stelen graviert sind. Der Friedhof ist heute begrenzt vom Jungfernweg, der Autobahn A 52 und den Feldern des Neuhofs sowie dem Parkplatz am Wendehammer. Dort befindet sich auch eine Bushaltestelle.
22.09.2015
[1] StA Kaarst Sammlung Pfeiffer, Kataster der Kaarster Bauernhöfe, u.a. unter Bend Erb
[2] StA Kaarst 1.039, Wege-Lagerbuch der Gemeinde Kaarst Nr.41
[3] StA Kaarst 1.036, Hausnummerierungen und Bezeichnung der Straßen
[4] Kirchhoff, Hans Georg: Geschichte der Stadt Kaarst, S. 48 ff.
[5] Peschkes, Heinrich: Aufzeichnungen 1757 – 1771. Privatsammlung
[6] StA Kaarst 199, Lagerbuch der Gemeinde Kaarst Abt. VII Begräbnisplätze
[7] ebda.
[8] NGZ 17.06.1995