Königstraße
Stadtteil Holzbüttgen
amtlich benannt am 7. Dezember 1953 durch den Rat der Gemeinde Büttgen
frühere Bezeichnung: Dorfstraße (im Volksmund)
heutiger Verlauf: Bismarckstraße bis Kreuzstraße
Länge der Straße: 1.175 m
Die Straßenbezeichnung Königstraße wurde vom Büttgener Gemeinderat in der Sitzung vom 7. Dezember 1953 beschlossen.[1] Eine sehr nette Begründung für den Straßennamen Königstraße findet man in der örtlichen Presse. So berichtet die NGZ am 1. Dezember 1953 über einen Aufruf der Büttgener Gemeindevertretung an die Bürger, Vorschläge zur Benennung von Straßen einzureichen. „Ein einziger Wunsch wurde bisher vorgetragen, und zwar aus Holzbüttgen. Vor zwei Jahren schoß dort ein Schütze den Königsvogel von der Stange, der seine Residenz als Schützenkönig auf einer damals offiziell namenlosen Straße aufschlug. Nicht faul, brachten seine Nachbarn und Schützenbrüder am Vorabend des Schützenfestes an selbiger Straße Schilder mit der Aufschrift „Königstraße“ an. Man bat die Gemeindeverwaltung, die Straße „offiziell“ Königstraße zu nennen. Die Gemeindeverwaltung folgte dem Vorschlag und die Straße heißt heute noch so. Den meisten Bürgern ist nicht bekannt, dass die Königstraße ihren Namen einer Kirmeslaune verdankt.“
Von 1950 bis heute wohnten 11 Schützenkönige an der Königstraße. Unter ihnen auch der jüngste Schützenkönig der Bruderschaft, der heutige Wirt der Gaststätte Bischofshof Josef Köhlings, der erst 26 Jahre alt war, als er den Vogel abschoss.
Bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts war Holzbüttgen ein reines Straßendorf. Die Königstraße war die einzige Straße, die durch das Dorf führte und sie wurde damals im Volksmund die „Dorfstraße“ genannt. Postalisch geführt wurde die Königstraße wie auch die anderen Straßen in Holzbüttgen, die ab Mitte der 1950er-Jahre angelegt wurden, bis zu ihrer amtlichen Benennung unter dem Buchstaben „J“ (plus Hausnummer). So lautete die postalische Bezeichnung für den Bauernhof Maaßen, heute Bischofshof, „J 50“. [2]
Auf der Königstraße fand das öffentliche Leben statt. Hier wurden die Schützen und Martinsumzüge veranstaltet und auch die Gläubigen folgten dem Allerheiligsten bei den Fronleichnamsprozessionen bis 1958 von Altar zu Altar über die Straße. Zahlreiche Fotos zeigen Trauerzüge hinter dem damals noch im Einsatz befindlichen von Pferden gezogenen Leichenwagen auf ihrem Weg zum Friedhof in Büttgen. Bis 1947 begruben die Holzbüttger ihre Verstorbenen auf dem Büttgener Friedhof, da erst dann der Friedhof in Holzbüttgen durch die Firma Selders aus Neuss angelegt wurde. Erster Totengräber war Willi Hüsges, gefolgt von Franz Junker, der diese Aufgabe im Februar 1956 übernahm.[3]
Waren die Anwohner der Königstraße bis 1914 bei der Wasserversorgung auf ihre eigenen Brunnen angewiesen, so änderte sich dies mit dem Wasserleitungsvertrag vom 19.Juni / 9. Juli 1914, den der Büttgener Gemeinderat mit der Stadt Neuß abschloss und der die Einrichtung einer zentralen Wasserversorgung der Gemeinde Büttgen durch Anschluß an die Wasserwerke der Stadt Neuß regelte.[4]
Auch das Straßenbild änderte sich im Laufe der Jahre von der landwirtschaftlichen Prägung mit Bauernhöfen und umliegenden Feldern zu einer reinen Wohnstraße. Von den sieben an der Königstraße gelegenen landwirtschaftlichen Betrieben der Bauern Brockers, Dücker, Lange, Maaßen, H. Schmitz, M. Schmitz und Weckop, existiert heute keiner mehr. Der Brockershof (ehemals „Kivelitzhof“) wurde im Jahr 1969 abgerissen. Die Familie Brockers errichtete nach Zusammenlegung der Parzellen durch die Flurbereinigung „Am Steinacker“ einen neuen Bauernhof. 1971 übernahm der Sohn, Josef Brockers, den Hof von seinen Eltern. Auf dem Grundstück des alten abgerissenen Hofes an der Königstraße wurden Reihenhäuser errichtet. [5]
Der Hof der Familie Dücker befand sich auf der Königstraße 100. 1978 siedelten sie in den neuen Bauernhof am „Alten Holzbüttger Kirchweg (K37n) um. Den alten Hof verkauften sie an den Architekten Hafner, der dort auch heute noch wohnt und ein Architekturbüro betreibt. [6]
Der Bauernhof der Familie Matthias Maaßen, bis 1928 im Besitz der Familie Bischof, wurde im Jahr 1963 zu einer Gastwirtschaft umgebaut.
Diese ist noch heute als „Bischofshof“ nicht nur bei den Holzbüttgern bekannt und beliebt. Josef Köhlings, der Schwiegersohn des Matthias Maaßen, führt heute die Gastwirtschaft, der mittlerweile einzigen Wirtschaft in Holzbüttgen. Im Bischofshof werden Hochzeiten, Kommunion- und Beerdigungskaffees sowie viele andere Versammlungen und Feiern abgehalten und er ist Vereinslokal zahlreicher Schützenzüge. Die übrigen fünf ehemals an der Königstraße ansässigen Bauern gaben ebenfalls ihre landwirtschaftlichen Betriebe auf.
An der Königstraße 12 stand bis zum Abriss 2006/2007 das Fachwerkhaus von Maria Pützhoven. Der historische Fachwerkbau war Teil des Kalenberghofs, einem der siebzehn „Kurmudsgüter“ von Holzbüttgen.[7] Kurmudsgüter waren Lehen im Eigentum adeliger Herren oder der Kirche und wurden auf Lebenszeit gewährt. Beim Ableben des Lehnsherrn oder Vasalen wurde die Abgabe fällig. Der Lehnsherr konnte die Pacht wählen (küren), in der Regel ein Pferd oder ein Rind. Die Kurmudsgüter wurden unter Napoleon abgeschafft.
Auch einige Handwerksbetriebe waren an der Königstraße angesiedelt. So lagen an der Straße früher 2 Schuhmachereien, die allerdings beide mittlerweile nicht mehr bestehen. Der letzte Schuhmacher auf der Königstraße war Josef Mattern, der seinen Betrieb 1987 geschlossen hat. Ein Dachdeckerbetrieb befand sich auf der Königstraße 63 (früher J 88b). Inhaber war Wilhelm Kaiser, gefolgt von seinem Enkel Friedhelm Falkenstein. Nach seiner Ruhesetzung im Jahr 1992 übernahm Ralf Dammer den Betrieb, den er 6 Jahre später auf die Hasselstraße umsiedelte. Heute befindet sich auf der Königstraße 63 die Werbefirma „flints“. Einer der ältesten Handwerksbetriebe ist die heutige Schlosserei Schmitz & Sohn an der Königstraße 11 (früher J 91a). Gegründet 1880 als Huf- und Wagenschmiede, befindet sich der Betrieb nunmehr seit mehr als 130 Jahren im Familienbesitz.
Ursprünglich befanden sich auf der Königstraße zwei Lebensmittelgeschäfte, von denen heute noch eins existiert, das Lebensmittelgeschäft „nahkauf“ der Familie Lange auf der Königstraße 12 (vormals Königstraße 2), dem früher auch noch eine Bäckerei / Konditorei angehörte. Das zweite Lebensmittelgeschäft befand sich auf der Königstraße 70 (vormals J 86) und war im Besitz der Familie Gottschalk. Weitere Geschäfte gab es nicht. Man fuhr zum Einkaufen nach Neuss.
Heute befinden sich an der Königstraße der Supermarkt der Familie Lange, die Gaststätte Bischofshof, die Schlosserei Schmitz & Sohn sowie das Bestattungsunternehmen der Familie Fußangel.
Poststellen hat es im Laufe der Zeit auf der Königstraße an mehreren Standorten gegeben.[8] Im Jahr 1953 wurde dem Wunsche der Bevölkerung entsprechend auf der Königstraße 14, neben der Bäckerei Lange, unter der Leitung von „Posthalter“ Klaus Handwerk mit der „Poststelle Holzbüttgen über Neuss 2“ wieder eine Postfiliale eingerichtet,[9] nachdem die vorherige Poststelle der Frau Schönen kurz nach dem II. Weltkrieg geschlossen worden war. Am 1.November 1957 wurde die Poststelle im Zuge einer personellen Umsetzung verlegt und nunmehr von Luise Kaiser im eigenen Haus an der Königstraße 24 betrieben. [10] (durch die zahlreichen Neubauten auf der Königstraße war eine Änderung der Hausnummerierung erforderlich, sodass aus der früheren Hausnummer 24 die heutige Hausnummer 64 wurde.) 1985 wurde die Poststelle erneut verlegt. Neuer Standort war das Haus der Familie Gottschalk auf der Königstraße 70. 1987 wurde auch diese letzte Poststelle in Holzbüttgen geschlossen und seit dieser Zeit müssen die Holzbüttger ihre Postangelegenheiten in Kaarst oder Büttgen erledigen. In den Räumen der Post richtete das kleine Bauunternehmen Demel ihr Büro ein, gefolgt von einem Nagelstudio, das sich auch heute noch dort befindet.
In Hausnummer 70 lebte von 1945 – 1953 der bekannte Kunstmaler Josef Kuchen, Meisterschüler der Kunstakademie Düsseldorf. Von ihm stammt der Kreuzweg in der katholischen Pfarrkirche Sieben Schmerzen Mariens Holzbüttgen, den er 1951 zum 25jährigen Priesterjubiläum des sehr beliebten Pastors Müller im Auftrag der Pfarrgemeinde geschaffen hat. Pastor Müller hat sich sehr um das örtliche Vereinsleben bemüht. Auf seine Initiative hin wurde 1950 auch die St.-Sebastianus- Schützenbruderschaft Holzbüttgen gegründet. Hatte man bis zu diesem Zeitpunkt das Schützenfest gemeinsam mit den Büttgener Schützenbrüdern im Festzelt in Büttgen gefeiert, war nun ein eigener Festplatz in Holzbüttgen erforderlich. Man entschied sich für eine Fläche an der Königstraße, gegenüber dem heutigen Friedhof und so konnte dann 1950 das Schützenfest auf dem ersten Kirmesplatz in Holzbüttgen gefeiert werden. Nach Ausweisung dieser Fläche als Bauland wurde er 1959 an den damaligen Stichweg zwischen Königstraße und Bruchweg (heute Straße „Am Pfarrzentrum“) verlegt und später nach Baubeginn der neuen Katholischen Kirche zum Marienplatz, wo er sich noch heute befindet und jährlich Anfang August das Schützenfest stattfindet.
Ähnlich wie die Holzbüttger Schützen, die früher der Büttgener Bruderschaft angehörten, besaßen die Holzbüttger Katholiken keine eigene Pfarre, sondern gehörten zur Pfarre St. Aldegundis Büttgen. Da den Holzbüttger Gläubigen der Weg zur Büttgener Kirche zu beschwerlich war, bemühten sie sich um ein eigenes Gotteshaus. Dieses Ziel errichte man dann im Jahre 1933, als eine Notkirche, eine in Neuss käuflich erworbene Holzbaracke, am 5. November 1933 unter dem Namen „Schmerzhafte Mutter“ an der Königstraße eingeweiht wurde. Die Umbenennung dieser ersten Kirche in „Sieben Schmerzen Mariens“ erfolgte im Jahr 1937. Die Notkirche war für 15 ½ Jahre die Ortskirche und musste 1949 aufgrund des altersbedingten Zustandes und der im Krieg entstandenen Schäden abgerissen werden. Sie wurde durch eine Steinkirche unweit der alten Stelle ersetzt. Beim Bau der neuen Kirche erwies sich die Beschaffung des Materials als besonders schwierig. Alle erforderlichen Materialien wurden gegen Naturalien eingetauscht. Mit vereinten Kräften meisterte man alle Probleme und am 17. April 1949 konnte die neue Kirche, die Pfarrkirche „Sieben Schmerzen Mariens“ eingeweiht werden. Sie war bis ins Jahr 1971 die Pfarrkirche Holzbüttgens.[11] Nach dem Neubau der heutigen Pfarrkirche an anderer Stelle (Straße „Am Pfarrzentrum“), dem mittlerweile dritten Gebäude in der kurzen Geschichte der Holzbüttger Pfarre, wurde die alte Kirche 1974 abgerissen. Die freiwerdende Fläche wurde zur Friedhofserweiterung genutzt.
Bis 1999 stand an der Königstraße auch das so genannte „Michaelsheim“. Der Rat der Gemeinde Büttgen hatte am 9.Januar 1958 beschlossen, die Fläche zwischen dem Pfarrhaus und dem Grundstück der Familie Pützhoven zur Bebauung freizugeben. Der Orden der Salesianer errichtete dann an dieser Stelle mit dem „Michaelsheim“ ein Heim für Spätberufene. Später wurde die Einrichtung für die Resozialisierung jugendlicher Straftäter genutzt. 1998/99 wurde das Haus abgerissen und ein Teil der Fläche mit Reihenhäusern bebaut, der Rest kam zum Friedhof.
Heute noch befindet sich an der Königstraße 107 das Gebäude der ehemaligen Volksschule aus dem Jahr 1840. Bis 1958 wurden hier die Holzbüttger Kinder unterrichtet. Nach dem Neubau der Schule am Marienplatz erwarb Hubert Maaßen, Kartoffel- und Gemüsehändler, die alte Schule, die er als Lager nutzte. Das Haus wird heute noch von der Familie Maaßen und einem Großhändler für Heizungs- und Sanitärbedarf bewohnt und genutzt.
Erfreulicherweise bestehen in unserem Stadtgebiet an zahlreichen Stellen gut funktionierende Nachbarschaften, die den sozialen Zusammenhalt stärken und somit einen Gewinn für alle darstellen. Auf eine so lange Tradition, wie das gut funktionierende nachbarschaftliche Miteinander an der Königstraße, kann aber kaum eine andere Nachbarschaft zurückblicken. Aus dem Jahr 1929 stammt die dem Stadtarchiv vorliegende Vereinbarung von zehn Anwohnern der Königstraße. Am 16. Oktober 1929 trafen sich Heinrich Krings, Hubert Schmitz, Heinrich Blassen, Franz Maaßen, Josef Mattern, Johann Frommen, Peter Hebben, Heinrich Weckop, Claus Handwerk und Gerhard Schmitz und formulierten eine 11 Punkte umfassende Nachbarschaftsvereinbarung, die u.a. gegenseitige Hilfe bei Taufen, Hochzeiten und Sterbefällen regelt. Trotz zahlreicher Neubauten, die in der Zeit von 1929 bis heute an der Straße entstanden sind, besteht die Nachbarschaft auch heute noch unter ihrem Vorsitzenden Josef Köhlings, dem Wirt der Gaststätte Bischofshof, weiter fort und sie kann zurecht als „lebendige Nachbarschaft“ bezeichnet werden. [12]
13.07.2015
[1] StA Kaarst N 57 Protokollbuch der Sitzungen des Rates der Gemeinde Büttgen
[2] StA Kaarst Einwohnerverzeichnis der Bürgermeisterei Büttgen im Jahre 1900
[3] Befragung Franz Junker im Mai 2012
[4] StA Kaarst 1.088 Protokollbuch der Sitzungen des Rates der Gemeinde Büttgen
[5] Klüber, Eduard: Mühlen und Bauernhöfe. Schriftenreihe Büttgen; Heft 11/12, S 120
[6] Klüber, Eduard: Mühlen und Bauernhöfe. Schriftenreihe Büttgen; Heft 11/12, S 125
[7] Klüber, Eduard: Mühlen und Bauernhöfe. Schriftenreihe Büttgen. Heft 11/12, S.90 f.
[8] Fischer, Joachim / Scherer, Wingolf: Post und Medaillen in Büttgen und Kaarst. Schriftenreihe Bütten. Heft 24, S.38
[9] StA Kaarst 2.859 Postangelegenheiten
[10] StA Kaarst 2.859 Postangelegenheiten
[11] Katholische Pfarrkirche „Sieben Schmerzen Mariens“ Holzbüttgen bei Neuss. Festschrift zur Kirchensekration 1974
[12] StA Kaarst Sammlung Wiescholleck, Nachbarschaftsvereinbarung vom 16.10.1929