Lange Hecke
Stadtteil: Kaarst
Amtlich benannt: 22. März 1951 durch den Rat der Gemeinde Kaarst
Heutiger Verlauf: Maubishof (am Kreisverkehr) bis zur A57 (im weiteren Verlauf auf Neusser Stadtgebiet bis Christian-Schaurte-Straße)
Früherer Verlauf: Neusserfurth bis Schiefbahn
Länge der Straße: 1561 m
Um die Geschichte der „Langen Hecke“ zu beschreiben, bedarf es eines langen Blicks zurück in die Entstehungsgeschichte von weiten Teilen unserer Gegend. So floss der Rhein nicht immer in seinem jetzigen Bett. Auf Grund des vordringenden Eises während der Eiszeit teilte er sich an der Neusserfurth in zwei Arme. Der eine grub sein Bett nordwärts über die heutige Broicherseite Richtung Büderich, der andere fand seinen Weg westwärts in der Senke des heutigen Nordkanals Richtung Niederlande. Nach einer erneuten Richtungsänderung des Rheinverlaufs blieb im Westen ein Graben mit einem Bachlauf, dem Hunenfluss, später Krur genannt, zurück. Eine der Stellen, an der man ihn überqueren konnte, gab dem Neusser Stadtteil Furth den Namen. Nach seinem Zurückweichen hinterließ der Rhein Sumpf- und Bruchland (z.B. an der Broicherseite), dazu Unmengen an Sand, was heute noch zahlreiche Kies- und Sandgruben bezeugen. Im Flurregister von Kaarst aus dem Jahr 1665[1] wird ein Großteil der Ländereien als sandig bezeichnet. So erklärt sich auch der volkstümliche Begriff des „Kaaschter Sankhas“ für die Bauern der Gegend. Der Heimatdichter Heinz Hess, selbst einst Bewohner der Langen Hecke, verewigte sie in seinem Gedicht „Ne Sankhas ut de Lang Heck“.
Eine weitere Auswirkung des mehrfach veränderten Rheinlaufs waren die dadurch entstandenen Höhenunterschiede. Die einst aufgeworfene Uferböschung im Westen bot sich als natürlicher Damm für eine Straße an, die spätere Lange Hecke. Sie wurde sicher schon von den Römern genutzt, denn entlang dieser Straße finden sich sogenannte „Villae Rusticae“, kleine Gehöfte, die den römischen Veteranen des nahen Lagers „Castrum Novesium“ (Neuss) errichtet wurden, sofern sie in Germanien bleiben wollten. Bedeutung als Handelsstraße bekam die Lange Hecke allerdings erst im Mittelalter. Der zunehmende Bewuchs der Böschungen mit Bäumen und Sträuchern mag zu dem Namen „Lange Hecke“ geführt haben. Sie wurde zu einem viel genutzten Handelsweg von der Zollstation auf der Furth „längs Maubis und Böckemeshof bis diesseits Kullerhöfe zur Grenze Schiefbahn“[2]. Von dort führte die Straße weiter über Kempen und Kleve nach Holland. Sie durchquerte somit den südlichen Teil des Ortsteils Kaarst von Ost nach West. Die Kaufleute, die ihre Waren im Neusser Hafen geladen hatten, mussten vor Befahren der Straße im Zollhaus auf der Furth ihren Zoll entrichten. An der Strecke fanden sie drei Herbergen: „Im Schwanen“ auf der Furth, etwa auf halber Strecke „Maubis“ und in Schiefbahn „Hellings“.
Viele Geschichten ranken sich um die Lange Hecke. Die wohl bekannteste stammt ungefähr aus dem Jahr1800 und ist die einer Räuberbande, der ein gewisser Matthias Weber angehörte, besser bekannt als der „Fetzer“. Der Anführer Damian Hessel hatte sein Hauptquartier im „Schwanen“ ganz in der Nähe der Zollstation auf der Furth aufgeschlagen. Hier wurden die Kaufleute ausgespäht, bei denen gute Beute zu erwarten war. Bei der Weiterreise über die Lange Hecke warteten schon die voraus geeilten Kumpanen und raubten sie aus. So manch einer verlor dabei sein Leben. Die Beute übernahmen dann Hehler aus Neuss und Düsseldorf. Jahrelang konnte die Bande ihr Unwesen treiben, weil die Polizei sie offensichtlich gewähren ließ. Mitglieder wurden immer wieder festgenommen und konnten sich ebenso schnell wieder aus dem Gewahrsam befreien. In einer Quelle heißt es: „Unbekannt konnte der Polizei in der dasigen Gegend das Wesen und Leben der Bande nicht gewesen sein, das erhellt aus den eigenen, daselbst geführten Protokollen und doch tat sie äußerst wenig, sie auszurotten.“[3] Die Vermutung liegt nahe, dass die Untätigkeit den Polizisten einen finanziellen Nutzen erbrachte. Erst, als der französische Regierungskommissar (Anmerkung: Das Rheinland gehörte unter Napoleon zu Frankreich) eine geheime Organisation zur Ergreifung der Räuber einsetzte, wurde die Bande zerschlagen. Der „Fetzer“ wurde am 19. Februar 1803 in Köln durch die Guillotine hingerichtet[4].
Weitere Geschichten beziehen sich auf den Teil der Langen Hecke, die 1951 eine Umbenennung in Alte Heerstraße erfuhr (Kreisverkehr am Maubishof bis zur Grenze Schiefbahn) und deshalb an dieser Stelle keine weitere Erwähnung finden. Die heutige Lange Hecke auf Kaarster Stadtgebiet verläuft über rund 1500 Metern vom Kreisverkehr bis zur Autobahn A 57. Die öffentliche Straße endet in einem großen Viereck (Wendemöglichkeit) und wird als Landwirtschaftsweg unter der Autobahn fortgeführt. In der Verlängerung auf Neusser Gebiet behält sie ihren Namen und endet an der Christian-Schaurte-Straße. Von der Langen Hecke aus hat man westlich den Zugang zur Badeniasiedlung und hinter der Oststraße den zu den Straßen mit ostpreußischen Städtenamen. Nach Norden gibt es den Abzweig zur Kampstraße. Zwischen dieser und der Langen Hecke liegt das Wohnviertel, in dem die Straßen den Namen von Himmelskörpern tragen. Die letzten Abzweigungen vor der Autobahn sind nach Norden die Straße „Im Rottfeld“ (Landwirtschaftsweg) und nach Westen die „Danziger Straße“, die in das Wohngebiet Rügerpark führt.
Mittlerweile sind Hecken und Bäume verschwunden und haben seit den 1950er Jahren allmählich einer geschlossenen Bebauung Platz gemacht. Ende 1944 war hier noch viel freies Gelände und so wurden Jugendliche der Gemeinde Kaarst dazu verpflichtet, von der Langen Hecke in Richtung Kampwebersheide und Neusser Straße einen Stellungsgraben auszuheben, da die alliierten Truppen anrückten[5]. Benötigt wurde dieser jedoch nicht mehr.
Das älteste Gebäude auf der Langen Hecke befindet sich am Anfang der Straße an der Ecke zur Maubisstraße. Es ist der bereits erwähnte Maubishof, der postalisch zur Maubisstraße gehört. Er wird 1758[6] als Gastwirtschaft, Herberge und Pferdewechselstation erwähnt. Hier fand übrigens am 2. Februar 1790 die Auftragsvergabe für den Bau des neuen Pfarrhauses an den „Wenigsbietenden“ statt[7].
Folgt man von hier der beidseitig mit Bürgersteigen ausgestatteten Straße, stellt man fest, dass es sich im Wesentlichen um eine „Wohnstraße“ handelt. Hier wurden in den 1950er Jahren zwölf sogenannte „Nebenerwerbsstellen“ zur Verfügung gestellt. Die Grundstücke waren besonders groß und waren neben einem Wohnhaus mit einem kleinen Nebengebäude (Stall, Werkstatt) bebaut. Der große Nutzgarten und die mögliche Kleintierhaltung ermöglichten eine weitgehende Eigenversorgung, denn noch waren Einkommen und Angebot niedrig. Heute sind die ursprünglich einheitlichen Häuser im Straßenbild nicht mehr erkennbar, da sie modernisiert bzw. umgebaut worden sind.
Ein früherer Bewohner der Langen Hecke war Heinrich Hebben. Er war Bürgermeister der Gemeinde Kaarst von 1947 bis 1961 und unterhielt dort eine Geflügelfarm. Sein Sohn betrieb ebenfalls dort ein kleines Lebensmittelgeschäft.
Heute gibt es auf der Straße noch die Bäckerei Becht in der Nähe des Kreisverkehrs, eine Reinigung und den Blumenladen der Familie Gilges, die vormals auch eine Gärtnerei und Landschaftsbau sowie die Gaststätte „Sandeck“ betrieben hat. Ansonsten gibt es eine größere Zahl von Dienstleistern und Handwerkern wie Elektriker, Steuerberater, Architekturbüros, Dentallabore und andere, die oft nur durch ein Firmenschild am Gebäude erkennbar sind. Bis zum 30. November 2015 lud „Palmens Florales Cafe“ zur Einkehr ein. Eine Besonderheit war die erste E-Bike-Ladestation in Kaarst für die Gäste. Heute werden die Räumlichkeiten von Frau Palmen als Atelier genutzt. Eine, auch außerhalb von Kaarst bekannte Künstlerin, die in dieser Straße ansässig ist, ist Rose Köster. Sie ist Mitglied im Verein „Düsseldorfer Künstlerinnen“ und in der Kaarster Künstlervereinigung SALIX. Gemeinsam mit Burkhard Siemsen, der die Fenster der Friedhofskapelle gestaltete, leitet sie das „Offene Atelier“.
14.08.2017
[1] StA Kaarst, Sammlung A.Pfeiffer, Die Orts- und Flurbezeichnungen von Kaarst und vom Werden des Kaarster Landschaftsbildes
[2] StA Kaarst Nr. 1039, Wege-Lagerbuch der Gemeinde Kaarst von 1857
[3] Becker, „ Actenmässige Geschichte der Räuberbanden an den beyden Ufern des Rheins“, S.157
[4] Jürgen Huck, „Der Fetzer und seine Bande in Neuss im Lichte neuer Forschung“ in Almanach für den Kreis Neuss 1983, S.148
[5] Erinnerung des Hans Hüsen als Beteiligter
[6] StA Kaarst, Sammlung A.Pfeiffer, Manuskript „Ons Lang Heck“
[7] Kirchhoff, Hans-Georg: „Geschichte der Stadt Kaarst“, S.283 f.